Von Wut zur Wahrheit
- Stefan Jungbluth
- 13. Apr.
- 4 Min. Lesezeit

Ich sitze in meiner Küche und überlege, worüber ich schreiben könnte. Seit meinem letzten Blogeintrag ist einige Zeit vergangen, und ich denke, es ist an der Zeit, wieder etwas zu veröffentlichen. Immer wenn ich etwas für meinen Blog schreibe, frage ich mich, wie ich hilfreich sein kann. Ich stelle mir vor, etwas zu schreiben, das einem Menschen einen wertvollen Impuls gibt und etwas in ihr oder ihm bewirkt. Wenn ich auch nur einer Person einen Mehrwert bieten kann, bin ich glücklich. Manchmal kommt dieser Impuls aus einer Coaching-Sitzung, die ich hatte, oder aus der Begegnung mit einem Freund. Dieses Mal dachte ich jedoch an eine ganz spezielle Person. Was wäre, wenn ich einen Blogbeitrag für mich selbst schreibe? Etwas, das mich beschäftigt und an das ich mich selbst erinnern möchte. Sofort fiel mir etwas ein, das mich beschäftigt, von dem ich aber dachte, dass es zu persönlich ist. Doch dann dachte ich mir: Warum nicht? Authentizität ist für mich als Coach eine wichtige Eigenschaft. Also lies weiter und erhalte einen Einblick in mein Leben.
Vor einigen Wochen traf ich einen alten Freund, den ich beinahe zehn Jahre nicht mehr gesehen hatte, und ich freute mich auf dieses Wiedersehen. An einem sonnigen Samstagnachmittag gingen wir in Düsseldorf am Rhein spazieren und unterhielten uns über alles, was in den letzten Jahren passiert war. Dabei kamen wir auch auf "The Work" von Byron Katie zu sprechen. Ich erzählte ihm, wie dieses System mein Leben am meisten beeinflusst hat, da ich erkennen konnte, dass all das, was mich in der Welt ärgert, etwas mit mir zu tun hat.
Er fragte mich mit einem Lächeln, das zu sagen schien: "Nicht wirklich immer, oder?" Meine Antwort war klar: "Immer!"
In dieser Woche geriet ich in zwei Situationen, in denen ich andere Menschen für ihr Verhalten verurteilt habe. Die zweite Begegnung machte mich allerdings so wütend, dass ich meinen eigenen Anteil einfach nicht sehen konnte. Vor einigen Wochen hatte ich meinem Freund noch gesagt, dass es immer etwas mit uns zu tun hat, wenn uns das Verhalten anderer Menschen stört oder sogar wütend macht. Doch in diesem Fall konnte ich eine Ausnahme machen, oder etwa nicht?
Mir wurde klar, es war Zeit für "The Work", denn ich glaube fest daran, dass die Dinge, die starke Emotionen in uns auslösen, immer etwas mit uns zu tun haben. Und zwar immer! Ich weiß, wie schwer es manchmal sein kann, das zu erkennen. Manchmal ist die Ablehnung gegenüber dem, was andere uns "spiegeln", so groß und der Schmerz, den eigenen Anteil zu erkennen, so überwältigend, dass selbst nach einer ehrlichen Hinterfragung die Überzeugung bestehen bleibt, es hätte nichts mit uns zu tun. So ging es mir, als ich wutentbrannt in meinem Auto saß und dachte, die Welt sei voller Idioten. Nachdem der erste Impuls, meinen eigenen Anteil rigoros abzulehnen, mich überkommen hatte, hinterfragte ich die Situation und meine eigenen Aussagen. Und siehe da, ich konnte tatsächlich erkennen, dass es wirklich nichts mit mir zu tun hatte. Die Welt war tatsächlich voller Idioten. Ich fand zumindest genügend Beweise, die dafür sprachen. Meine blinden Flecken haben mir und meinem Ego einen wunderbaren Dienst erwiesen. Doch da ich an das glaube, was ich sage, musste ich tiefer gehen. Der folgende Glaubenssatz, den ich mir über die Jahre immer wieder eingeprägt hatte, war mein erster Schritt in Richtung Freiheit:
"Alles in dieser Welt ist neutral und hat keine Bedeutung! Erst unsere Gedanken über die Dinge machen die schlechten Gefühle!"
Das ist etwas, an das ich fest glaube. Also dachte ich an den Vorfall, der mich so wütend gemacht hatte, und stellte mir vor, dass es vollkommen neutral ist, wenn ich mich aus der Gleichung herausnehme. Ich konnte erkennen, dass es meine Gedanken über den Vorfall waren, die mich ärgerten. Dann war ich bereit, diesen Gedanken mit dem System von Byron Katie zu hinterfragen. Also stellte ich mir die vier Fragen:
Ist es wahr?
Kann ich mir sicher sein, dass es wahr ist?
Wie fühle ich mich, wenn ich meinem Gedanken glaube?
Wie würde ich mich fühlen, wenn ich diesen Gedanken nicht mehr glauben würde?
Dann drehte ich meinen Gedanken um und sagte mir: "Ich sollte mich um meine Angelegenheiten kümmern! Ich sollte nicht so ein arrogantes Arschloch sein!"
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Das war der erste Schritt, der mir half zu erkennen, wie arrogant ich mich eigentlich verhalten hatte. Das Schöne ist, wenn man die Wahrheit zulässt und wirklich hinschaut, kommt Erleichterung ins System. Plötzlich fällt es mir leicht zu sehen, was ich falsch mache und wo ich mich verändern kann. Wo ich meinen falschen Stolz ablegen darf und mit Leichtigkeit anderen Menschen begegnen kann. Wie ich von Wut in die Liebe komme, wie ich aus meinem Gefängnis, dem Ego, entkomme und frei sein kann.
Wenn du "The Work" machst, hast du immer zwei Möglichkeiten:
Du kannst Beweise dafür finden, dass das, was dich ärgert, nichts mit dir zu tun hat und dass du nicht auf deinen Gegenüber projizierst. Oder...
Du kannst tief einatmen und nach Beweisen suchen, die dir zeigen, dass all das etwas mit dir zu tun hat.
Zweiteres bedeutet, die Verantwortung zu übernehmen. Vom Opfer zum Gestalter zu kommen, ist nicht immer einfach. Doch wann immer du den Mut findest, deinem wahren Selbst zu begegnen, hast du die Möglichkeit zu wachsen und dein Leben besser zu machen. Verurteile dich niemals für diese Anteile. Nimm sie an und vergib dir selbst. Das Leben kann viel einfacher werden, wenn wir bereit sind, es zu leben, und nicht in unserem Ego verhaftet zu leiden. Wut, Hass oder Missgunst anderen Menschen gegenüber ist Leid, das du dir selbst zufügst.





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